Leistungsmessung – Wie funktioniert ein Rollenleistungsprüfstand?

by Paul Balzer on 25. Dezember 2012

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Die Leistungsmessung ist der Moment der Wahrheit. Hier zeigt sich in nakten Zahlen, was Kennfeldmanipulation, Abgasanlage oder neuer Turbolader nun tatsächlich verändert haben.

Dyno von H-Y-P-E unter CC BY-NC 2.0 Lizenz von flickr.com

Dyno von H-Y-P-E unter CC BY-NC 2.0 Lizenz von flickr.com

Das Prüfgerät zur qualifizierten Aussage über die Leistung eines Fahrzeugs ist der Rollenleistungsprüfstand oder Englisch Dyno. Doch wie funktioniert dieser überhaupt?

Motorleistung kann man eigentlich gar nicht messen

Traurig aber wahr: Mit einem Rollenleistungsprüfstand kann man die Motorleistung eigentlich überhaupt nicht messen. Man kann nur die Radleistung bestimmen und mit ein paar Schätzwerten auf die Motorleistung zurückrechnen. Genau genommen kann man nicht mal die Radleistung messen sondern “nur” Hilfsgrößen wie Kraft, Strom oder Drehzahländerung bestimmen. Mit diesen lässt sich, je nach Verfahren, die Radleistung errechnen.

Es gibt verschiedene Arten, wie man die Radleistung auf einem Rollenleistungsprüfstand bestimmen kann. Leistung ist dabei die verrichtete Arbeit pro Zeit. Ein angetriebenes Rad dreht sich mit einem Drehmoment (Arbeit) und erzeugt am Umfang eine Kraft. Je nachdem wie schnell (Drehzahl) es sich dreht, ist das dann mehr oder weniger Leistung.

P_\text{Rad}=2 \pi \cdot M_\text{Rad} \cdot n_\text{Rad}

Man sieht also, dass für die Bestimmung der Radleistung die Drehzahl und das Drehmoment notwendig ist.

Prüfstandsarten

Schwungmassenprüfstand

Jeder der schon mal versucht hat einen Güterzug anzuschieben weiß, dass es eine ganze Menge Trägheit gibt, die einen dabei hindert das Teil in Bewegung zu setzen. Nimmt man nun eine metallische Rolle und lässt das Rad diese träge Rolle beschleunigen, hat man vorher (z.B. mittels CAD-Software) das Massenträgheitsmoment um die Drehachse bestimmt, so kann man durch die Änderung der Drehzahl auf das Moment schließen. Die mathematische Formulierung davon ist:

M_\text{Rad}=J \cdot \cfrac{\mathrm{d}\omega}{\mathrm{d}t}

Mit bekanntem Massenträgheitsmoment von beispielsweise J=15kgm² und einer Änderung der Drehzahl von 100U/min pro Sekunde (der Rolle!), ergibt sich:

M_\text{Rad}=15kgm^2 \cdot 2\pi \cdot \cfrac{100}{60s \cdot 1s}=157 \frac{kg\cdot m^2}{s^2}=157\mathrm{Nm}

Dieses Verfahren bietet sich für den Heim- und Hobbybedarf an und wird auch für kleinere Prüfstände professionell verwendet. Gemessen werden muss natürlich die Drehzahl der Rolle, welche dann für die Berechnungen entsprechend mathematisch behandelt wird. In größeren Prüfständen, welche auch noch für andere Aufgaben Anwendung (Abgasmessung, Verbrauchsmessung usw.) finden sollen, muss zusätzlich zu dem Massenträgheitsmoment noch eine dynamische Komponente verwendet werden, was zum Einsatz elektrischer Maschinen führt.

Wirbelstrombremse (passiv)

Der Einsatz einer elektrischen Maschine als Bremse der Rolle ist ein sehr häufiger Anwendungsfall. Damit lassen sich auch wesentlich mehr Messverfahren realisieren als mit dem einfachen Hochdrehen einer trägen Metallrolle. Die Wirbelstrombremse kann als passives, also nur bremsendes Element die Leistung des antreibenden Motors aufnehmen. Über eine pendelnde Lagerung und mittels Kraftmessdosen ist eine Berechnung des eingeleiteten Drehmoments möglich.

Asynchronmaschine (aktiv)

Die einer geregelten Asynchronmaschine kann man dann auch aktiv eine Leistung einbringen, also z.B. antreiben oder auch bremsen. Häufig wird bei diesem Verfahren mit einer Drehmomentmesswelle gearbeitet.

Wer sich für die unzähligen Verfahren und Varianten interessiert, der kann unter Motorenprüfstand in der Wikipedia eine Übersicht finden. Ich möchte im folgenden auf die Messverfahren zur Leistungsbestimmung eingehen.

Messverfahren zur Leistungsmessung

Statische Leistungsmessung

Dieses Verfahren setzt voraus, dass man die Kennwerte von Fahrzeug und Prüfstand kennt und auch einhält. Die Räder werden beschleunigt und beim Erreichen einer vorher eingestellten Geschwindigkeit bremst der Prüfstand die Räder automatisch ab, obwohl man voll auf dem Fahrpedal steht.

Dies setzt natürlich voraus, dass die elektrische Abbremsleistung höher ist als die antreibende Leistung vom Fahrzeug. Die Fahraufgabe wird oftmals in Form einer Rampe realisiert, das heißt der Fahrer hat Zeit in Ruhe auf die Wunschgeschwindigkeit zu beschleunigen und wird dann langsam auf Leerlaufdrehzahl runter gebremst.

Durch die Wahl der Übersetzung (Gang) und die Geschwindigkeit ergibt sich jeder beliebige Punkt im Leistungskennfeld. Man nennt dies “Diskrete Leistungsmessung”.

Dynamische Leistungsmessung

Diese Art der Leistungsmessung ist das, was man in 99% der Fälle sieht, wenn man auf YouTube nach Dyno sucht. Hierbei wird, ähnlich wie beim Schwungmassenprüfstand, die Drehzahländerung der trägen Rolle gemessen. Das Fahrzeug wird langsam bis in den Gang beschleunigt, in welchem die Getriebeübersetzung ungefähr 1:1 ist (meist der vorletzte Gang), um dann aus dem Drehzahlkeller bis Nenndrehzahl mit Volllast durch zu beschleunigen.

Über die Drehzahländerung pro Zeit kann mit bekanntem Massenträgheitsmoment auf ein Drehmoment gerechnet werden, welches multipliziert mit der jeweiligen aktuellen Drehzahl die aktuelle Radleistung ergibt.

Fehler bei der Leistungsmessung

Alle Prüfstände haben eines gemeinsam: Es kommen immer Kurven und Zahlen heraus! Allerdings möchte man ja die möglichst korrekten Zahlen ermitteln und nicht irgendwelche. Die häufigsten Fehler sind meiner Meinung nach schon bei YouTube zu finden. Ich möchte sie hier aufzählen.

Safety First: Fahrzeug fixieren!

Das Fahrzeug möchte auf dem Prüfstand mit aller Macht vorwärts!! Wenn man ein Fahrzeug mit 500Nm hat, dann müssen die auch irgendwie auf die Rolle gebracht werden. Bei einem Reifenhalbmesser von 0.3m und einer Gesamtübersetzung von 1:4 ergibt sich damit eine Zugkraft von

F_\text{Zug}=\cfrac{M_\text{max}\cdot i}{r_\text{dyn}}=\cfrac{500\mathrm{Nm}\cdot 4}{0{,}3\mathrm{m}}=6667N

Das entspricht also etwa 680kg. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass es dynamische Kräfte in beträchtlichem Umfang gibt, dass die Gurte nicht immer ideal in Längsrichtung angebracht werden können und dass diese auch altern. Mehr ist also immer besser. Auch in Querrichtung (Lenkbewegung, Reifenplatzer, Unwucht etc.) und auch entgegen der Fahrtrichtung (sollte man z.B. Motorbremse oder Bremse benutzen) ist ein Gurt angebracht.

Fehlerteufel: Radschlupf

Freilich, ohne Schlupf geht gar nichts! Es gibt immer einen Schlupf zwischen Rad und Trommel, dennoch muss dieser begrenzt werden.

Gerade bei hochaufgeladenen Turbomotoren mit hohem Drehmomentgradienten gibt es mitunter ein Schlupfproblem an den Rädern, selbst wenn im 4. oder 5. Gang gemessen wird. Hierbei hilft nur die Achslast zu erhöhen oder das Fahrzeug nieder zu zurren.

Wärme und Belüftung

Es ist eigentlich jedem bekannt der etwas mit Verbrennungsmotoren zu tun hat. Dennoch wird gerade das Thema Belüftung echt Stiefmütterlich behandelt. Auf manchen Videos sieht man, wie 600kW Motoren vor einer Wand ohne Belüftung geprüft werden.

Ein Verbrennungsmotor benötigt Luftstrom! Da reicht auch kein Lüfter aus dem Baumarkt, den man davor stellt, auch dann nicht wenn die Motorhaube geöffnet wurde. Als Richtwert gilt, dass der Luftvolumentrom > 25.000m³/h und die Anströmgeschwindigkeit >90km/h (auch unter dem Fahrzeug) bei konstanten 20°C  gewährleistet sein sollte.

(C) MAHA Maschinenbau Haldenwang

(C) MAHA Maschinenbau Haldenwang GmbH & Co. KG

Auch die Frischluftzufuhr ist wichtig. Als Faustformel kann man sich merken, dass das 3-fache der Motorleistung im Raum als Wärmeleistung anfällt und demzufolge abtransportiert werden will. Misst man mehrere Stunden (Dyno-Days z.B.) in einer kleinen Werkstatt, so muss dafür gesorgt werden, dass die Wärme durch Abluftanlagen aus der Halle transportiert wird. Es bringt nichts, wenn die warme Luft vom Gebläse umgewälzt wird und wieder vom Motor angesaugt. Bei einer Fläche von 100m² sind ca. 5000m³/h Frischluftzufuhr nötig.

Gerade moderne Motoren messen die Ansauglufttemperatur und regeln die Motorleistung runter, sollte die Luft zu warm werden. Ein falsches Messergebnis ist die Folge.

Von der Radleistung zur Motorleistung

Zwischen dem Rad und dem Motor steht der Antriebsstrang. Man muss auf die gemessene Radleistung also noch die Verluste des Antriebsstrangs (Schleppleistung) drauf rechnen und erhält daraus die Motorleistung.

P_\text{Motor}=P_\text{Rad}+P_\text{Schlepp}

Bei der dynamischen Messung wird nach dem Erreichen der Maximaldrehzahl der Fuß vom Gas genommen und ausgekuppelt. Die Räder, Antriebswellen, Getriebe usw. drehen mitsamt der Rolle langsam wieder runter. Der Prüfstand ermittelt in der Zwischenzeit die Schleppleistung. Diese wird nach Ende der “Ausrollphase” auf die Radleistung drauf gerechnet und man erhält die Motorleistung.

Athmosphärische Korrektur

Mit dieser Motorleistung ist man allerdings immer noch nicht am Ziel. Die DIN70020 gibt Korrekturfaktoren für die Leistung für Umgebungsdruck und -temperatur vor. Der Prüfstand muss diese also bei der Leistungsmessung mit ermitteln.

P_\text{norm}=K\cdot P_\text{Motor}=\cfrac{1013}{p}\cdot \sqrt{\cfrac{T}{293}}\cdot P_\text{Motor}

Motorleistung-Korrekturfaktor in Abhängigkeit von Luftdruck und Temperatur der Ansaugluft für Diesel und Benzinmotoren (Turbo und Saug) nach DIN70020

Motorleistung-Korrekturfaktor in Abhängigkeit von Luftdruck und Temperatur der Ansaugluft für Diesel und Benzinmotoren (Turbo und Saug) nach DIN70020

Neuere Turbomotoren korrigieren die Umweltbedingungen allerdings selbst und erhöhen den Ladedruck selbstständig, um auch in großer Höhe noch maximale Leistung zu produzieren. Da ist keine Korrektur vom Prüfstand zu berücksichtigen! Auto Motor und Sport musste das erfahren…

Resultat

Ist nun alles korrekt gemessen worden, so ergibt sich eine Drehmomentkurve, welche mit der jeweiligen Drehzahl und 2Pi multipliziert die Leistung ergibt. Dazu eine Schleppleistungskurve, welche der korrigierten Radleistung hinzuaddiert wird. Die Leistungsmessung ist erfolgreich beendet.

[Update] Bitte auch die Kommentare beachten, dort sind interessante Informationen aus praktischer Sicht aufgeführt!

12 Comments

  1. bezüglich Fehlerteufel Radschlupf:
    “Hierbei hilft nur die Achslast zu erhöhen oder das Fahrzeug nieder zu zurren.” Dazu solltest du noch erwähnen, dass hier unbedingt auf die Traglast der Reifen zu achten ist. Nicht selten gibt es Reifenplatzer auf Prüfständen aus genau diesen Gründen. Zumal es bei einer Doppelrolle auch noch 2 Walkzonen pro Reifen gibt, die die Sache noch verschärfen….
    Bei Radschlupf sollte man daher auf ne Scheitelrolle mit größerem Durchmesser wechseln, wenn man die Möglichkeit dazu hat.

    Mit motorsportlichen Grüßen aus der Irrenanstalt

  2. zu den Ergebnissen der Leistungsmessung…

    die Methoden zur Bestimmung der Radleistung sind eindeutig und trotzdem kann es zu unterschiedlichen Ergebnissen auf zwei verschiedenen Prüfständen kommen. Ob es ein Doppel- oder Scheitelrollenprüfstand ist, oder es sich um gleiche Bauweise jedoch unterschiedliche Fabrikate handelt, die Ergebnisse weichen voneinander ab. Die Gründe dafür zu suchen ist nicht schwer, hilft im Einzelfall jedoch nur wenig weiter. Denn wer testet sein Fahrzeug schon auf 3 verschiedenen Prüfständen um die Ergebnisse zu vergleichen?
    Ich fasse deshalb noch mal kurz zusammen welche Einflussfaktoren uns das Leben schwer machen:

    1. Die Umgebungsbedingungen…
    Luftdruck, Raumtemperatur, Luftzufuhr, Raum-Be-und Entlüftung…sollten konstante Größen sein
    2. Die Prüfstandsperipherie…
    Welche Bauart des Prüfstands liegt vor, Doppelrolle, Scheitelrolle usw.?
    …In Punkto Krafteinleitung gibt es Unterschiede.
    Wie erfolgen die Aufnahme der Messgrößen und die Berechnung der Ergebnisse?
    Messmittel sind i.d.R. in den Unterlagen des Prüfstandes gut erklärt, die programminterne Weiterverarbeitung der Messwerte jedoch nicht. Gerade bei der Ermittlung der Prüfstands- und Fahrzeugverluste (zur Berechnung der Motorleistung) wird deutlich, dass man die Messung nicht in der Hand hat.
    3. Das Fahrzeug…
    Wesentlich ist hierbei die Kraftübertragung vom Reifen auf die Rolle. Paul und Scirotor haben das bereits erläutert. Die Videos geben einen guten Eindruck, vor allem wenn es um Fahrzeuge mit hoher Leistung geht. Reifendruck, Reifentemperatur und der Reifen selbst spielen dabei eine wesentliche Rolle. Außerdem sollten alle kraftübertragenden Komponenten bis hin zum Motor „Betriebstemperatur“ haben.
    Aber noch eine Sache ist wichtig zu wissen und u.U. zu beachten…Möchte der Hersteller überhaupt dass ich die Leistung messe (oder einen Zyklus fahre)? Die Frage bleibt leider ungeklärt. Fakt ist aber, dass es kein Problem dabei gibt, das Motor-Steuergerät erkennen zu lassen, dass sich das Fahrzeug gerade auf Rollen bewegt. Die einfachste Methode ist schon die Auswertung der Raddrehzahlen. Und spätestens wenn der Fahrer dann noch das ESP deaktiviert weiß die Motorsteuerung bescheid. Was bedeutet das nun…? Leider bleiben solche Fragen (für die meistens von uns) unbeantwortet.

    Fazit:

    Wenn alle Faktoren berücksichtigt werden (können), ist es durchaus möglich eine Leistungsmessung durchzuführen, welche in den Ergebnissen den Herstellerangaben nahe kommt. Falls dies nicht der Fall sein sollte, gibt es natürlich unzählige andere Gründe dafür, welche zum Bsp. im Defekt oder Verschleiß eines Bauteils liegen können.

  3. Hallo,

    interessanter Artikel:
    Zum Thema Sicherheit hätte ich noch einiges beizutragen:
    1. Wenn, wie in dem YouTube-Video gezeigt, irgendwelche Spanngurte verwendet werden, wundert mich es eigentlich nicht, wenn die Fahrzeuge von der Rolle fliegen. Bei uns werden dieses mit Ketten befestigt.
    2. Das alleroberste Gebot: Ist der Rollenprüfstand in Betrieb hält sich niemand im Raum auf! Das kann tödliche Verletzungen mit sich bringen.
    3. Ein Reifen der einmal auf der Rolle gelaufen ist, darf nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr verwendet werden. Auf der Rolle sind die Walkverhältnisse ganz anders als auf der Straße. Die Gefahr eines Reifenplatzers wäre viel zu groß.

    Leistungsmessung auf einem Rollenprüfstand ist, wie schon beschrieben, immer Fehlerbehaftet. Will man die echte Motorleistung ermitteln, kommt man nicht darum, den Motor auszubauen und die Leistung auf einem Motorprüfstand zu messen.

    Grüße,

    diezge

    1. Ganz ehrlich, ein unbeschädigter und vernünftig dimensionierter Gurt unterliegt weniger Materialermüdung als eine immer wieder stark vorgespannte Stahlkette. Das Risiko, dass die reißen ist sogar unterm Strich höher! UND bei Stahl siehst du vorher nichts, es sei denn du hast nen Röntgenblick. Bei nem Gurt siehst du Beschädigungen. Er Unterliegt bei vernünftigem Umgang auch nicht der gleichen Ermüdung. Außerdem sind sie günstiger als Entsprechende Kettenzüge. Mit freundlichem Gruß aus über 10 Jahren Stahlbau… Mü

  4. Pingback: Anonymous

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