Ende des Verbrennungsmotors: Milchmädchenrechnung zum Energieerhaltungssatz

by Paul Balzer on 9. Oktober 2016

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Lassen wir das Lobbying von allen Seiten mal weg, sind wir für oder gegen einen schönen BMW M5 oder für oder gegen einen schönen Tesla Model S. Doch die Meldung, dass der Bundesrat die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2030 verbieten möchte, ist dann doch sehr konkret.

Von vielen kleinen Fragezeichen, die sich dann ergeben und für die sicher die Politik Lösungen finden wird, stellt sich für mich vor allem folgende Frage: Woher kommt denn dann die Energie?

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Energieverbrauch durch Kraftstoffe

Folgende Milchmädchenrechnung möchte ich als Diskussionsgrundlage aufstellen: Im Jahr 2015 wurden \(18.000.000t\) Benzin und \(30.000.000t\) Dieselkraftstoff in Deutschland ‘getankt’ [siehe Kraftstoffverbrauch in Deutschland | Statista].

Mit den bekannten Energieinhalten von Otto- bzw. Dieselkraftstoff ergibt sich eine durch diese Energieform verrichtete Arbeit von

\[W=17{,}9t \cdot 43 \frac{MJ}{kg} + 30{,}5t \cdot 45 \frac{MJ}{kg}=2142200000 GJ\]

Nun wurde nicht die gesamte Energie aus den Kraftstoffen in Bewegung umgesetzt (siehe Wirkungsgrad eines Verbrennungsmotors), sondern für die Mobilitätsnachfrage kann nur der wirkungsgradbereinigte Energieverbrauch angenommen werden. Nehmen wir für den Ottomotor \(30\%\) und für den Dieselmotor \(40\%\) an (was alles absolut optimal ist!), so ergibt sich eine Mobilitätsarbeit, welche von diesen Energieträgern im Jahr 2015 verrichtet wurde:

\[W_\text{Mobil}=17{,}9t \cdot 43 \frac{MJ}{kg} \cdot 0{,}3 + 30{,}5t \cdot 45 \frac{MJ}{kg} \cdot 0{,}4=779910000 GJ\]

Das entspricht 216,6 TeraWattStunden (TWh) [Umrechnung], welche verrichtet werden mussten, um die Fahrzeuge, Menschen oder Gegenstände von A nach B zu bringen und dabei gegen Steigungs-, Luft und Beschleunigungswiderstände anzukämpfen. Das wird auch mit Elektroantrieb nicht anders werden.

Alternative Energieform für nachgefragte Mobilität

Diese Arbeit soll dann also von z.B. Elektroautos verrichtet werden. Selbst wenn diese einen Wirkungsgrad von \(90\%\) haben, so muss die Energie doch irgendwo her kommen. Die Menschen wollen ja trotzdem ihre Mobilität beibehalten. Wir nehmen also \(90\%\) Wirkungsgrad für den elektrischen Antrieb an und kommen ungefähr auf \(\frac{W_\text{Mobil}}{0{,}9} \approx 866 \cdot 10^6 GJ\), welche wir pro Jahr zusätzlich aus dem Stromnetz entnehmen müssen, wenn wir die Verbrenner weg haben wollen, aber die gleiche Mobilitätsanforderung beibehalten.

Nun bin ich kein Energiemarkt-Experte, aber wenn ich mir die in Deutschland erzeugte elektrische Energie anschaue, so wurden 2015 rund \(555 TWh\) erzeugt (alle Energieformen). Das sind rund \(2 \cdot 10^9 GJ\), also zwei milliarden Gigajoule.

Nun soll diese Alternative natürlich nicht von Kohlekraftwerken gespeist werden, denn hier liegt der Wirkungsgrad auch nur bei ~40%. Kernkraft scheidet wegen der Angst und der Restbrennstoffproblematik auch aus in Deutschland. Das Ziel wird also sein, die \(2 \cdot 10^9 GJ\) aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.

Quelle: Screenshot von https://www.energy-charts.de

Erneuerbare Energien in Deutschland, Quelle: Screenshot von https://www.energy-charts.de

Aus diesen (Wind+Wasser+Sonne) werden derzeit rund \(145{,}57 TWh = 5{,}241 \cdot 10^8 GJ\) Energie pro Jahr gewonnen [Umrechnung].

Es muss also noch rund \(\frac{866 \cdot 10^6 GJ}{524 \cdot 10^6 GJ} \approx 1{,}7\) mal mehr erneuerbare Energie erzeugt werden, nur um die Mobilitätsnachfrage elektrisch betreiben zu können (Transport/Ladeverluste usw. gar nicht mit gerechnet).

Nun wird es eine langsame Marktdurchdringung geben und erst in 1 oder 2 Menschengenerationen wird der Verbrenner wirklich von den Straßen verschwunden sein (in Deutschland), sodass die zusätzlich benötigte elektrische Energie nur langsam gesteigert wird. Vielleicht kann das Elektrofahrzeug dann auch das Stromnetz puffern, denn die Volatilität bei den Erneuerbaren ist das Hauptproblem. Es wird eine unglaubliche Herausforderung für die Energieversorger! Wenn man bedenkt, wie lange Gerichtsverfahren gegen Bürgerbegehren wegen des Baus von Hochspannungstrassen dauern, sollte man parallel eventuell jetzt schon damit anfangen dort die Trassen einzuklagen.

Ich bin gespannt!

10 Comments

  1. Mal eine andere (positivere) Milchmädchenrechnung:
    Angenommen wir spendieren jedem Elektroauto einem Carport mit Solarpaneln auf dem Dach. Fläche 3m x 5m macht bei 200W/m² -> 3kWp. Im wenig sonnigen Deutschland produzieren diese PV-Panels 3000kWh pro Jahr. Der Tesla braucht laut Spritmonitor.de 20,6 kWh/100km, kommt also damit im Jahr auf 15.000 km. Das ist mehr als die viele Leute im Jahr fahren.

    Der Strom muss in diesem Modell nicht weit fließen, die PV-Panel sollten dafür allerdings dort sein wo die Autos tagsüber stehen (Firmenparkplätze, Firmendächer besser als zu Hause).

    Die PV-Anlage kostet mit 3 kW ungefähr 4.500€ ( Preis sinkend) ist also in etwa im Rahmen der derzeitigen Aufpreisliste beim Autokauf . Die paar Holzbalken für den Carport sollten jetzt auch kein Vermögen kosten.
    Wo ist also das Problem?

    1. Wo das Problem dabei ist? Aktuell beträgt der Bestand an PKW ~44 Mio in Deutschland.
      Es dürfte grade im urbanen Bereich unmöglich sein, für jeden dieser PKW 15 m² PV-Fläche aufzubauen. Das wären in Summe ~ 660 km² PV-Fläche.
      Nebenbei müsste man den Strom irgendwo zwischenspeichern, da man ja nicht permanent unter dem Carport steht. Da geht die Milchmädchenrechnung nicht ganz auf, weil eine Spur zu einfach gedacht. In der Zeit, in der der meiste Sonnenstrom entsteht, sind die wenigsten da, um ihn abzunehmen. Im Gegenzug wird kein Sonnenstrom produziert, wenn die meisten zu hause sind.

  2. Kurzum: Tagsüber wenn die Sonne scheint steht mein Auto nicht unterm Carport, sondern auf’n Firmenparkplatz. Du unterschlägst also die Kosten für die Zwischenspeicherung der erzeugten Energie damit ich nachts laden kann.

  3. Grundsätzlich ist es ja richtig, die Herstellung von dieselbetriebenen Autos oder auch Autos mit Benzinmotoren langfristig einzustellen. Dass aber ab 2030 keine Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren stattfinden, ist, denke ich, sehr schwierig umzusetzen und das Ziel auch etwas zu hoch gegriffen.

  4. Wenn ich mir die Autobahn so ansehe und mir die Schlangen der “Großtiere” mit bis zu 40 Tonnen bewusst mache, die vielen Unfälle (u.a. mit Toten) dann frage ich mich, ob nicht hier der wirklich richtige Ansatz für E-Mobilität ist. Damit der Leser aber nicht auf falsche Gedanken kommt: Allerdings doch bitte nicht als “Trolly-LKW” auf der Autobahn. Dieser schleswigholsteinische, von einem bayerischen Minister gesponsorte Schwachsinn gehört in die Schublade – nach ganz hinten. Da müsste doch noch neue und teure Infrastruktur her und wer bezahlt das und sie lange dauert es? Es wäre besser einen Weg unter Nutzung oder Erweiterung des Bestehen zu gehen. Na klar, ich rede von der Bahn! Ein so inovatives Ländle wie Deutschland kriegt das nicht hin? Jämmerlich! Da wird geforscht wie verrückt aber das Naheliegende wird übersehen oder wird’s nicht gewollt? Sehe ich mir den “berliner Laden” so an, so kann ich mich der Gedanken nicht verwehren, dass dort Unwissen und Ingnoranz, gepaart mit dem Krebsgeschwür des Lobbyismus, an den tatsächlichen Bedürfnissen dieses Landes und Europas meilenweit – oder besser Lichtjahre – vorbei fährt. Merken tun DIE es aber nicht! Glück Auf Deutschland!

  5. Hallo Herr Balzer,
    “…Verbrennungsmotoren leisten 1,7x so viel wie alle erneuerbaren Energien zusammen erzeugen” ist so nicht richtig, da im realen Betrieb (beschleunigen, bremsen, rollen, Steigung-/Gefällefahrten) und unter Abzug von Motorverlusten (Elektrik, Hydrauliken, Klimaanlage, Einspritzung etc.) längst nicht die hohen Wirkungsgrade im Durchschnitt erreicht werden. Im Alltagsbetrieb kann man beim Benziner von 10-30 % ausgehen, also im Durchschnitt vielleicht 20% und beim Diesel vielleicht von 20-40%, also im Durchschnitt von 30%. Speziell bei geringer Last im Stadtverkehr haben Verbrennungsmotoren peinlich niedrige Wirkungsgrade (Ich bin selbst techn. Ing.). Und je nach Statistik haben etwa 40% aller PKW-Fahrten unter 5 km Länge. Hier ist die mögliche Energieersparnis anteilig noch größer. Außerdem ist Deutschland heute schon netto-Stromexporteur, ja, das Strom-Überangebot ist so groß, dass an der Leipziger Strombörse nur noch wenige Cent/kWH erzielt werden können. Am Strommangel werden wir also nicht liegenbleiben.
    Grüße,
    A. Adam

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