Fortschritte in der Wandler-Automatikgetriebe-Entwicklung seit 2001

by Jan Bräunig on 13. September 2012

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Einige Leser dieses Motorblogs sind sicherlich bereits in Fahrzeugen mit Automatikgetrieben (AG) unterwegs gewesen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit vor allem die Leser, welche ein Auslandssemester in Nordamerika oder Australien absolviert haben, da in diesen Staaten der Automatikgetriebeanteil sehr hoch ist.

ZF Stufenautomatgetriebe 8HP70 (By Ritchyblack – Stefan Krause (Own work) [FAL], via Wikimedia Commons)

Meine persönliche Erfahrung mit einem AG startete mit dem Audi A3 (8L) meiner Eltern, in welchem noch ein AG mit 4 Gängen verbaut war, was bereits im 3er Golf seit Anfang der 90er Jahre Anwendung fand. Zum einen war ich begeistert, wie herrlich sanft man so kurz nach dem Absolvieren der Fahrerlaubnis in einem Schalt-PKW gerade am Berg anfahren kann, zum anderen war ich enttäuscht in Anbetracht eines Verbrauches von 9 bis 12 l bei Kurzstreckenfahrten im Erzgebirge, ohne den 1.6er-101PS-Benzinmotor über 4000 U/min betrieben zu haben. Zudem waren die Beschleunigungswerte im Vergleich zum Handschalter spürbar schlechter und die Gesamtübersetzung des letzten Ganges sehr kurz, sodass bereits bei Tacho 130 km/h ca. 4000 Motorumdrehungen anlagen, was den Langstreckenkomfort des, bei dieser Drehzahl sehr dröninigen, Motors sehr schmälerte. Windgeräusche waren bei diesem Auto zwangsweise kein Thema…

Wir können also festhalten, dass selbst mit dem hohen technischen Stand der 90er Jahre insbesondere für die front-quer eingebauten AG (Vorderradantrieb, Kompaktklasse) folgende Nachteile deutlich erkennbar hervorstachen und das in Kombination mit einem Mehrpreis von ca. 2t – 3t Mark zu einem geringen Marktanteil in Europa führte:

  • Wenige Fahrstufen -> dadurch größere Gangsprünge und schlechtere Beschleunigung
  • Hoher Verbauch -> der hydrodynamische Wandler, das Anfahrelement eines AG, wurde erst bei Geschwindigkeiten von teilweise über 80 km/h überbrückt (Wandlerüberbrückungskupplung), was zu hohem Zyklusverbrauch führte

Vorteil von Wandler-Automatikgetrieben

Demgegenüber standen bereits weit vor den 90er Jahren folgende Vorteile, wovon vor allem die Amerikaner begeistert sein mussten (Zulassungsanteil AG):

  • Verschleißfreies Anfahren, da keine mechanische Reibflächen vorhanden sind (hydrodynamischer Wandler):
    • Sehr gutes Rangierverhalten respektive Dosierbarkeit -> Einparken am Berg, sanftes Anfahren auf Schnee und Eis etc..
    • Sehr gutes Anfahrverhalten bei erhöhter Zuglast -> durch die Drehmomentüberhöhung des hydrodynamischen Wandlers (Trilok-Wandler) besteht eine hervorragende Eignung für den Zugbetrieb von Anhängern
    • Lange Haltbarkeit und Standfestigkeit -> u. a. aber abhängig von der herstellerseitigen Dimensionierung des AG-Ölkühlers
  • Komfortable Schaltvorgänge ohne Zugkraftunterbrechung
  • Bediensicherheit insbesondere für ältere Leute

Diese Vorteile bestehen aktuell auch gegenüber Doppelkupplungsgetrieben (DKG): Wer mit diesen bereits mit Anhänger am Berg rangieren mußte, weiß sicherlich, wovon ich hier schreibe. Die weiter oben gennanten Nachteile, der hohe Verkaufsanteil bei der älteren Bevölkerung und die Verbindung mit einem erhöhten Anschaffungspreis machten die Getriebe jedoch „unattraktiv“, besonders für sportlich ambitionierten Fahrer. Hier sollte sich spätestens ab 2001 einiges ändern und die AG zu dem machen, was sie in meinen Augen heute mehr denn je sind: „ungeschlagen“ im Vergleich zu Handschalt- und Doppelkupplungsgetrieben!

Diese Fortschritte möchte ich folgend vor allem für AG aufzeigen, die längs eingebaut werden (Standard-Antriebsstrang) und seitens der Daimler AG und der ZF Friedrichshafen AG (ZF) entwickelt wurden. Grund hierfür ist, dass die meisten (Antriebs-) Innovationen respektive Ansprüche aus der Oberklasse kommen (Bspw. S-Klasse & BMW 7er) und die hiesigen Ingenieure recht innovativ sind.

Zum allgemeinen Aufbau von AG aus hintereinander geschalteten Planetenradsätzen und dem Vorteil, dass sich das jeweils anliegende Drehmoment auf mehrere Zahnkontakte zwischen Hohlrad, Planetenrädern und dem Sonnenrad verteilt, will ich in diesem Beitrag nicht eingehen, aber das ein oder andere Getriebeschaltschema dennoch aufzeigen.

ZF 6HP

Zwischen ZF und BMW scheint es eine intensive Entwicklungskooperation zu geben, da die neusten ZF-Entwicklungen zumeist in BMW-Modellen erstmals platziert werden. Ein Beispiel hierfür ist die laut BMW und ZF beworbene „erste 6-Gang-Automatik der Welt“, genannt 6HP, die 2001 mit dem damals neuen BMW 7er, interne BMW-Typenbezeichnung E65, auf den Weltmarkt Premiere feierte.

Die Bezeichnung „erste 6-Gang-Automatik der Welt“ ist allerdings für den PKW-Sektor nur bedingt richtig: Für den Jeep Grand Cherokee, interne Typenbezeichnung WJ, entwickelte Chrysler für die Markteinführung ab 1999 mit dem AG 45RFE ein Getriebe mit 5 Planetenstufen, welches wie die 6HP theoretisch 6 Vorwärtsstufen bot. Allerdings wurden nur 5 Vorwärtsstufen genutzt, wobei das Getriebe nur als 4-Stufen-Automatik bezeichnet wurde, da für den Kick-Down-Vorgang ein zweiter 2. Gang zur Verfügung stand.

Davon unberührt sind die herausragenden Merkmale der ZF 6HP, welche auch noch aktuell in zahlreichen Modellen in einer 2006 (6HP 2.0) wirkungsgradoptimierten Version eingebaut wird:

  • 6 Vorwärtsgänge mit kleiner werdenden Überstetzungssprüngen vom 1. bis zum 6. Gang (harmonische Abstufung, Voraussetzung für guten Schaltkomfort)
  • Große Übersetzungsspreizung von 6,04, was eine verbesserte Anfahrleistung und gleichzeitig spritsparendes, niedertouriges Konstantfahren  ermöglicht
  • Niedriges Gesamtgewicht im Vergleich zu den damaligen Kontrahenten und Vorgängermodellen
  • Verringerte Baulänge zur 5HP zur besseren Integration von angeflanschten Allradlösungen
  • Verbesserung des Wirkungsgrades (vgl. 5HP)
  • Hohe Schaltspontanität bei erhöhtem Schaltkomfort
  • Shift-by-Wire (Lenkradbedienhebel im BMW E65)

Vergleicht man das Getriebesystem der 6HP26 (diese Version -26 wurde 2001 als erster 6HP-Baustein im 745i vorgestellt, zul. 450 Nm bei 85 kg Gewicht) zur 5HP24 (440 Nm, 94 kg), so ist hervorzuheben, dass mit dem Leppelletier-Radsatzkonzept alle 6 Gänge + Rückwärtsgang unter Verwendung von lediglich 5 Schaltelementen (3 Kupplungen und 2 Bremsen) realisiert wurden (Bild 1). Das Vorgängergetriebe benötigte für lediglich 5 Vorwärtsgänge noch 7 Schaltelemente (3 Kupplungen, 3 Bremsen und einen Freilauf).

Bild 1: Gegenüberstellung der Radsatzkonzepte 5HP24 und 6HP26

Diese Anzahlreduktion an Schaltelementen der 6HP bildete die Randbedingung für die kompaktere Bauform, Gewichtsersparnis und bessere Effizienz. Weitere Verbrauchsbenefits wurden im Bereich des Ölhaushaltes (wirkungsgradoptimiertes Getriebeöl, optimierte Ölversorgung mit veringerten Leckagen und neue Innenzahnradpunpe) und am Wandler erziehlt. Durch die Erhöhung der zulässigen Reibleistung der Wandler-Überbrückungs-Kupplung konnte der WK-Bereich ausgedehnt werden. Das bedeutet, dass eine herkömmliche Kupplung den Wandler nach dem Anfahren überbrückt und so deutlich den Wirkungsgrad im Vergleich zum Wandlerbetrieb erhöht. Weiterhin konnte nun der Wandler auch im Stillstand (Ampelstop) abgekoppelt werden.

Die Antwort der Konkurenz auf die 6HP erfolgte nur 2 Jahre später: Im September 2003 führte Daimler die „weltweit erste 7-Gang-Automatik“ ein – die W7 A 700 (7G)

7G-TRONIC (2003)

Die 7G-Tronic löste 2003 das Daimler-Vorgängergetriebe W5A580 ab und erzielte u. a. folgende signifikante Verbesserungen:

  • Verbesserung der Spreizung von 4,32 auf 6,02
  • Gleichbleibende Gangsprünge mit zwei zusätzlichen Fahrstufen
  • Kürzere Schaltreaktionszeit (um 0,1s)
  • Kürzere Zugrückschaltung (um 0,1 bis 0,2s)
  • Direkte Mehrfachrückschaltung für deutliche Durchzugsverbesserung

Der getriebeschematische Unterschied der 7G-Tronic zum hausinternen Vorgängermodell besteht darin, dass der vordere Einfachplanetenradsatz durch einen Ravigneaux-Planetenradsatz ersetzt und das Schaltsystem zusätzlich um eine weitere Lamellenbremse ergänzt wurde.

Bild 2: Getriebesystem und technische Daten der 7G-Tronic (Quelle: Fahrzeuggetriebe – Grundlagen, Auswahl, Auslegung und Konstruktion)

Mit diesen drei Planetenradsätzen, drei Kupplungen und vier Bremsen sind entsprechend 7 Vorwärtsgänge und 2 Rückwärtsgänge schaltbar.

Gewichtsvorteil

Eine besondere Eigenschaft stellt das geringe Gewicht dieses neuen AG dar: Mit circa 82 kg für ein maximales Eingangsdrehmoment von 700 Nm übertrifft es die 6 HP von 2001 deutlich (101 kg für 750 Nm), was unter anderem an der Verwendung eines Magnesiumdruckgussgehäuses lag, welches erstmalig mit Aluminiumschrauben verbunden wurde. Die Gesamtübersetzung und Gangsprünge sind dagegen sehr ähnlich zur 6HP, wobei ein zusätzlicher Gang zu besseren Beschleunigungswerten verhilft, insofern die Gesamtübersetzung im letzten Gang vergleichbar ist.

Im Fokus der Getriebeüberarbeitung stand weiterhin der Drehmomentwandler samt Überbrückungskupplung: Neben einem geringeren Drehträgheitsmoment wies der neue Wandler eine höhere Drehmomentwandlung und geringere Drehmomentaufnahme im Anfahrvorgang auf. Auch schaltete nun die Überbrückungskupplung bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten im 1. Gang zu und wurde in sämtlichen Gängen schlupfgeregelt betrieben. Schließlich sorgte ein entsprechend ausgelegter Turbinentorsionsdämpfer zur Verringerung von auffälligen Drehzahlresonanzen und ermöglicht sehr niedertouriges Fahren.

Neben der Absenkung der Motordrehzahl konnte die Effizienz des Getriebes durch ein neuentwickeltes ATF-ÖL gesteigert werden, was u. a. eine Reibwertkonstanz für die Schaltelemente sicherstellte und ein verbessertes Tieftemperaturverhalten lieferte.

Mehrfachrückschaltung

Bild 3: Kupplungsansteuerung und Mehrfachrückschaltungs-Möglichkeiten der 7G-Tronic (Quelle: ATZ)

Ein essentieller Beitrag zur Spontanität stellt die in der ATZ 10/2003 dargestellte Fähigkeit der Mehrfachrückschaltung dar: Im Falle der 7G-Tronic können nun bis zu 4 Gänge gleichzeitig übersprungen werden (Gang 6 in 2). Diese hohe Anzahl an direkt überspringbaren Gängen werden für die ZF 6HP erst für die Version 2.0 (2006) kommuniziert.

Im entsprechenden Artikel zur 7G-Tronic aus dem oben genannten Heft ist weiterhin zu lesen, dass bei „Mehrfachrückschaltungen, die nicht direkt ausgeführt werden, wie zum Beispiel die häufig vorkommenden 7-4- oder 7-3-Schaltungen“ … „die zweite Teilschaltung durch Ineinanderfallen oder Verschleifen so moduliert wird, dass der Fahrer die als eine stetige Drehzahländerung wahrnimmt“. Dies ist grundsätzlich nicht neu, hat aber in der 7G-Tronic eine neue Perfektion erreicht. Folgende Darstellung (Bild 3) aus dem Artikel zeigt übersichtlich alle Möglichkeiten der Mehrfachschaltung und die dazu notwendigerweise zu betätigen Schaltelemente im AG.

6HP 2.0 (2006)

Die zweite Generation der 6HP ist eine Verbesserung in den Bereichen Effizienz, Gewicht, Drehmomentbelastbarkeit und Schaltspontanität. Gegenüber der 7G-Tronic ist man damit auf einem vergleichbaren technischen Level angelangt. In den Punkten Gesamtspreizung und Effizienz war man das bereits mit der ersten Generation, denn hierfür hat der Spreizwert von 6,04 nach wie vor Bestand und das unangetastete Getriebeschema der ersten 6HP kommt weiterhin im Betrieb mit weniger geschlossenen Schaltelementen aus, was zu prinzipiell geringeren Reibverlustwerten führt. An einen direkten Effizienzvergleich im Getriebebereich hat sich allerdings noch keine Fachzeitschrift heran getraut. Hier liegen sicherlich nur vereinzelten OEM’s Benchmarkwerte unter vergleichbaren Randbedingungen vor.

Schaltzeit

Der Benefit, den der sportlich fahrende Fahrer aber sofort im Alltag an der 6HP 2.0 merkt, ist die Verbesserung der Schaltzeit.

Bild 4: Reaktionszeit und Schaltdynamik der 6HP im Generationsvergleich (Quelle: ZF)

Dabei wird die Zeit von 200ms als Wahrnehmungsschwelle definiert, unterhalb der Normalfahrer nichts bemerkt. Auch wenn man den Werten, die ein Konzern in seiner Produktwerbung kommuniziert, zumeist „nicht recht vertraut“, so kann ich aus eigener Erfahrung nach ca. 15tkm mit der 6HP 2.0 in Verbindung mit einem R6-3.0-Diesel nur vollste subjektive Bestätigung äußern: Das Getriebe schaltet schnell, komfortabel und im Teillastbereich durch den leisen Motor unbemerkt!

8HP (2009)

Die von ZF neuentwickelte 8HP, also ein 8-Gang-AG, debütierte im September 2009 im neuen 760i, interne BMW-Typenbezeichnung F01 und wird aktuell in zahlreichen Fahrzeugen eingesetzt: Als Beispiele seien neben der Verfügbarkeit für nahezu alle BMW-Modelle vom 1er bis 7er (sowie für die Audi-Modelle mit Vorderradantrieb ab A4), der Land Rover Discovery 4, Dodge Ram 1500 ab MJ 2013, Jaguar XF und der Maserarati Quattroporte erwähnt, die das breite Anwendungssprektrum vom reinen Geländewagen über Pickups und komfortable Limousinen bis hin zu Sportwagen kennzeichnen sollen.

Im Aufbau der 8HP steckt die eigentliche Revolution: Die Anordnung der vier Radsätze wurde so gewählt, dass man mit nur 5 Schaltelementen auskommt. Als Schaltelemente sind (Lamellen-) Kupplung oder Bremse definiert, dargestellt in Bild 5. Im Getriebesystem ist zu erkennen, dass von den zwei Bremsen und 3 Lamellenkupplungen pro Gang lediglich zwei dieser Schaltelemente geöffnet sind. Dadurch werden die Schleppverluste im Getriebe gering gehalten, was insbesondere im Vergleich zu 7G-Tronic auffällt, wo immer vier Schaltelemente je Gang geöffnet sind. Die in dieser Abbildung dargestellte Anordnung der Verzweigung der Planetenstufen wird als Lepelletier-RS bezeichnet.

Bild 5: Getriebesystem und Mehrfachrückschaltungs-Möglichkeiten der 8HP (Quelle: ZF)

8 Gänge: Ideale Wahl

Das Getriebesystem der 8HP mit 8-Gängen und 5 Schaltelemente ist nach Bild 5 vorteilhaft, denn mit einer höheren Ganganzahl respektive Gesamtspreizung könnte man zwar den Betriebspunkt des Motors zu effizienteren Drehzahlen hin verlagern, jedoch würde man aufgrund von notwendigerweise zusätzlichen Schaltelementen höhere Schleppmomente erzeugen, die diesen Benefit mehr als aufbrauchen.

Bild 6: 8-Gang Topologie als vermeintlich ideale Kombination aus Schaltelementanzahl und Spreizung (Quelle: VDI-Getriebekongress 2009)

Beschleunigung am optimalen Leistungspunkt

Mit den gewählten Übersetzungen der Radsätze konnte weiterhin eine harmonische Abstimmung mit kleinen Gangsprüngen im Vergleich zur 6HP erzielt werden (Bild 7, links). Auf der rechten Seite von Bild 7 erkennt man unmittelbar diesen Vorteil hinsichtlich Volllastbeschleunigung: Durch den geringeren Drehzahlabfall wird ein höheres Leistungsniveau des Motors beibehalten.

Bild 7: Darstellung der Anschlussdrehzahlen und des höheren Leistungsniveaus bei der 8HP (Quelle: VDI-Getriebekongress 2009)

Sehr eindrucksvoll ist die Eigenschaft der Beibehaltung des höheren Leistungsniveaus in folgendem Video erkennbar, wo ein aktueller X3 (F25) mit einem 2l-Dieselmotor eine adäquate Beschleunigung seines 1,8 t-Leergewicht auf 100 km/h erzielen kann (ca. 8,5 s) und das trotz einer beachtlichen Stirnfläche und Allradantrieb (xdrive):

Durch die hohe Gesamtspreizung der 8HP konnte der Wagen über die Achsübersetzung so ausgelegt werden, dass er erst im 4. Gang die 100km/h überschreitet, aber dennoch in der 8. Stufe ein Gang zur Verfügung steht, der niedertouriges Fahren ermöglicht. Im Video ist der geringe Anschlusssprung zum Folgegang zu erkennen: Zum jeweils nächsten Gang sinkt die Motordrehzahl nicht unter 3250 U/min, was eine kontinuierliche Mindestleistung von 125 KW (BMW N47D20, 184PS) zur Beschleunigung bereitstellt.

Effektiv und sportlich

Durch zahlreiche Maßnahmen am Wandler, der Ölversorgung sowie Weiterentwicklung am Getriebeöl in Verbindung mit der Fähigkeit, die 8HP mit Start-Stopp-System oder gar in Verbund als Mild- oder Vollhybrid zu betreiben, ergibt sich der in Bild 9 aufgezeigte Effizienzvorteil zu den Vorgänger-AG:

Bild 9: Einsparungspotentiale von 6- & 8HP (Quelle: ZF)

Folgendes Video veranschaulicht sehr gut die Innovation der 8HP:

7G-TRONIC PLUS (2010)

Die 7G-Tronic Plus stellt die seit 2010 verfügbare überarbeitete Variante der 7G-Tronic (2003) dar. An dem Getriebesystem und der Fähigkeit zur Mehrfachrückschaltung hat sich entsprechend nichts geändert (Bild 3). Als zentrales Entwicklungsziel stand aber auch die Effizienzsteigerung im Mittelpunkt. Diese effizienzsteigernden Innovationen sind im folgenden Video anschaulich aufgezeigt und anschließend aufgelistet (Quelle ATZ 12/2010):

  • Extreme Wandlerschlupfreduzierung durch neue Wandlergeneration
  • Einsatz eines neu entwickelten FE-Leichtlauf-Automatikgetriebeöls
  • Optimiertes Eco-Schaltprogramm mit deutlicher Absenkung der Motordrehzahl auf Basis optimaler Dämpfungssysteme im Wandler (Bild10)
  • Schleppleistungsreduzierende Maßnahmen an Lagern und Lamellen

Bild 10: Vergleich von Schaltprogrammen für einen Achtzylinder-Ottomotor bei geringer Beschleunigung

Für den Kunden ist die Generation „Plus“ wie folgt spürbar:

  • Direktere Anbindung an den Verbrenner
  • Gesteigerte Schaltqualität durch Optimierung der elektrohydraulischen Steuerungen
  • NVH-Verbesserung durch optimierte Dämpfung und früheres Hochschalten (Eco-Schaltprogramme)
  • Start-Stopp-Fähigkeit durch eine zusätzliche elektrische Pumpe (4% Zyklusverbrauchsersparnis)
  • Lebensdauerverlängerung des Getriebeöls

Mit diesen Überarbeitungen hat die 7G einen Stand erreicht, der in vielen Tests als komfortabel und schnell gelobt wird. Ein alleiniger Wermutstropfen scheint jedoch die Ausführungsspontanität bei manuellen Schalteingriffen darzustellen, was allerdings von den meisten Fahrern nicht genutzt wird.

Wer sich darüber genauer informieren will, kann dies in diversen Foren ausführen.

In diesem Motorblog-Chat wird u. a. die AMG Speedshift MCT 7G-Tronic erwähnt. Bei dieser Ausführung handelt es sich weitestgehend um die „normale“ 7G, jedoch wurde der Wandler durch eine mechanische und automatisch betriebene nasse Anfahrkupplung ersetzt (Gewichtsbenefit). Weiterhin wurde die Schaltcharakteristik den AMG-Fahrzeugen angepasst. Sehr eindrucksvoll sind Aufbau und Funktionsweise, bspw. auch die Race-Start-Option, in folgendem Video in Verbindung mit dem SL63 AMG dargestellt (ab 2:10min):

Ausblick: 9-Gang ZF

ZF hat bereits 2011 zahlreiche Details zum neuen 9-AG durchblicken lassen, was unter anderem  im 1er GT, dem ersten BMW mit Frontantrieb insofern man MINI nicht dazuzählt, Premiere feiern wird. Entsprechend handelt es sich bei der ZF 9HP um ein AG für den Front-Quer-Einbau. Dieses Getriebe wird zukünftig für vorderradbetriebene Fahrzeuge eingesetzt, wobei die Möglichkeit der Erweiterung aus Allradantrieb vorgesehen ist.

Folgende Darstellung zeigt das Getriebe- und Schaltschema (Bild 11):

Bild 11: Getriebe- und Schaltschema der ZF 9HP (Quelle: ZF)

Wie man in Bild 11 erkennen kann, besteht die 9HP nunmehr aus 4 Radsätzen und 6 Schaltelementen. ZF kommuniziert folgende Vorteile:

  • Platzsparende Verschachtelung der Radsätze
  • Hohe Getriebespreizung (9,81!) bei kleinen Gangsprüngen
  • Hoher Wirkungsgrad, u. a. durch erstmaligen Einsatz formschlüssiger Klauenkupplungen bei PKW-Lastschaltgetrieben
  • Drehmomentwandler mit exzellenter Schwingungsentkopplung für optimalen Anfahrkomfort sowie niedriger Motordrehzahl bei geringer Lastanforderung
  • Weiterentwickelte 8HP-Steuerungstechnik für höchste Schaltqualität jetzt auch bei Front-Quer-Anwendungen

Bemerkenswert ist, wie in Punkt 3 kommuniziert, dass der Getriebewirkungsgrad trotz einer hohen Anzahl an Schaltelementen über alle Gänge sehr hoch ist. Folgende Abbildung vergleicht diesen mit der 8HP:

Bild 12: Wirkungsgrad der jeweiligen Gangstufe von ZF 8HP und ZF 9HP (Quelle: VDI Getriebekongress 2011, Friedrichshafen)

Die in Bild12 zu erkennende Verringerung des Wirkungsgrades ab dem direkt übersetzten Gang 5 kann durch die Verlagerung der Motordrehzahl in optimalere Motordrehzahlbereiche kompensiert werden. Ein entsprechender Vergleich zwischen 6HP und 9HP ist folgend abgebildet:

Bild 13: Schaltprogramme für Teillast und Volllast im Vergleich zwischen 6HP und 9HP (Quelle: VDI Getriebekongress 2011, Friedrichshafen)

Mit Hilfe der dargestellten engen Gangabstufung bei gleichzeitig hoher Spreizung ist der Spagat zwischen Beschleunigung-Performance, Verbesserung von ca. 2s in der Beschleunigung auf 100 km/h gegenüber der 6HP, und Kraftstoffeffizienz, 16% Reduktion bei Konstantfahrt von 120 km/h, scheinbar geglückt. Das in Bild 11 dargestellte Schaltschema der möglichen Mehrfach-Rückschaltung gibt jedoch einen möglichen Anlaß zur Kritik: Direktschaltungen aus dem höchsten Gang, der laut Bild 13 bspw. bereits ab ca. 60 km/h eingelegt sein kann, in Gang 2 oder Gang 3 sind nur über „Umwege“ möglich: „9 in 3“ bspw. über Gang 7 und Gang 5. Wir dürfen also gespannt sein, ob und wie die begrenzte Fähigkeit der Direktschaltung bei ersten Testfahrten wahrgenommen wird. Zweifelsfrei sind Spreizung und Gewicht im Front-Quer-Bereich aber absolut konkurrenzfähig.

Vergleich verschiedener Getriebe für Front-Quer-Einbau (Wandler Automatik und Doppelkupplung)

Ausblick: 9-Gang Daimler

Daimler arbeitet bereits intensiv am Nachfolger der 7G-Tronic, der über 9 Vorwärtsgänge verfügen wird und für den Längseinbau vorgesehen ist. Technische Details habe ich aber noch nicht recherchieren können, lediglich das Erscheinungsjahr 2013 wird genannt.

Abgrenzung der Wandler-AG zu automatisierten Getrieben gängiger Bauart

Aus meiner Sicht ergeben die folgenden Punkte die deutlichste Abgrenzung:

  • Hervorragendes, verschleißfreies Anfahren durch hydrodynamischen Wandler
  • Sehr hohe Drehmoment-Wandelfähigkeit bei geringem Getriebegewicht
  • Möglichkeit der Direktrückschaltungen innerhalb geradzahliger oder ungeradzahliger Gänge, bspw. Gang 5 in Gang 3 etc.

Folgendes Video demonstriert diese Fähigkeit am Beispiel der ZF 6HP. Bei einem Doppelkupplungsgetriebe wird der beispielhafte Schaltvorgang nur durch Zwischenschalten und Verweilen im 4. Gang oder anhand eines verzögerten und zugkraftunterbrochenen Schaltvorgangs lösbar.

Die Relevanz von diesen Schaltvorgängen ist bspw. in Mittelgebirgen oft gegeben. Da die Ortschaften sich zumeist im Tal befinden, steht das Ortsausgangsschild meist an einer Steigung, die bei moderater Beschleunigung im 4. oder 5. Gang automatisiert gefahren wird. Kommt diesem Lastverhalten das Ereignis einer Kick-Down-Beschleunigung, bspw. wegen eines Überholmanövers, hinzu, ergibt sich diese Schaltanforderung.

Folgende Tabellen stellen wichtige Eigenschaften aktueller Getriebe dar. Bei der Recherche zu den Gewichten, insbesondere im Front-Quer-Bereich, war nicht immer die Angabe, ob ölbefüllt oder auch ob inklusive Achsgetriebe angegeben, vorhanden. Daher sind die Werte mit Vorsicht zu genießen und ich hoffe auf Ergänzungen durch interessierte Leser:

Längs eingebaute Getriebe

Vergleich Längs eingebaute Getriebe, z.B. ZF8HP, 7G-Tronic, MCT, 7DT, DL501, VL380 bezüglich Spreizung, Gewicht und Drehmoment

Quer eingebaute Getriebe

Vergleich Front Quer eingebauter Getriebe, z.B. ZF9HP, DQ200, DQ500, 7GDCT bezüglich Spreizung, Gewicht und Drehmoment

Fazit

Die Wandler-Automatikgetriebe sind leichter, effizienter und vor allem sportlicher geworden. Jedoch haben sich die Doppelkupplungsgetriebe (DKG) in den letzten Jahren für die Front-Quer-Fahrzeuge als Standard im automatisierten Getriebebereich etabliert. Defizite im Anfahrverhalten und Mehrfachschaltungen auf gleicher Wellenstufe können durch die Getriebesteuerung mittlerweile recht gut kaschiert werden, sodass Otto-Normalfahrer ein ungetrübtes Fahrerlebnis bei zugleich direkter Motorankopplung und somit Verbrauchs-Neutralität zum Handschalter genießt.

Zukunft der Front-Quer Automatikgetriebe

Schwierig wird es jedoch aus Geräusch- und Package-Gründen für die zukünftigen Zielstellungen, mehr als 7 eng abgestufte Gänge bei zugleich hoher Gesamtspreizung und geringem Gewicht in DKG darzustellen. Hier kann man also gespannt sein, wie bspw. das neue 9-Gang-ZF-Getriebe für den Front-quer-Bereich einschlägt.

Längseinbau bleibt klassisch Standardantrieb

Betrachtet man den Standardantrieb mit Längseinbau, so sind die Wandlerautomaten, bestehend aus den durch eine sehr hohe Leistungsdichte gekennzeichneten Planetengetrieben, mehr denn je im Vorteil gegenüber Schaltgetrieben oder DKG:

  • Günstigeres Package in Wellenumfangsrichtung
  • Geringeres Gewicht bei gleichzeitig hohem Eingangsdrehmoment
  • Vielfältige Möglichkeiten der Mehrfachrückschaltungen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle
  • Verschließfreies Anfahrelement & lange Lebensdauer

Dank einer deutlichen Reduktion unnötiger Schleppmomente sowie der Weiterentwicklung an Getriebekomponenten wie Drehmomentwandler, Überbrückungskupplung etc. fahren mittlerweile zahlreiche PKWs mit dieser Art von „Wandler“-Automatikgetriebe nicht nur schneller, komfortabler, sicherer und mit höhere Laufleistung, sondern auch effizienter bei zugleich zugkraftunterbrechungsfreien Schaltvorgängen. Der Nachteil von Schleppverlusten von Schaltelementen wird durch die engere Gangabstufung und höhere Ganganzahl, die den Motor länger im optimalen Betriebsbereich halten, mehr als wettgemacht. Es hat sich also viel getan in den letzten 11 Jahren AG-Entwicklung…

Autorenbemerkung:

Es handelt sich hierbei um eine Privatpublikation: Der Artikel gibt somit nicht Ergebnisse, Ansichten, etc. aus meiner Tätigkeit am IWU wieder.

6 Comments

  1. Ich finde das recht interessant, auch wenn die Vorteile des DKGs (Potenzial für quasi keine Schleppverluste, freie Definition von Übersetzungen, weniger Leistungsbedarf usw.) hier unter den Tisch fallen. Aber etwas Grundsätzliches, was mir immer wieder auffällt: Der Wandler ist kein notwendiges Element eines Planetengetriebes. Auch dort gibt es (selten) Varianten mir Anfahrkupplung und umgekehrt auch zumindest ein DKG (Honda) mit Wandler davor.

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